Fakten und Hintergründe zu MVZ-Gruppen

Vor welchen Herausforderungen steht die ambulante Versorgung in Deutschland?

 

Die ambulante Versorgung in Deutschland steht vor einem Umbruch. Maßgeblich wird dieser durch die Ambulantisierung, Digitalisierung, dem demografischen Wandel und dem sich wandelnden Berufsbild „Arzt/Ärtin“ vorangetrieben. Die damit einhergehenden Entwicklungen erfordern neue Antworten und angepasste Strukturen in der ambulanten Versorgung. Im Zentrum der nötigen Weiterentwicklung der ambulanten Strukturen müssen die medizinische Qualität, das Patientenwohl und die Bedürfnisse des medizinischen Personals stehen. Bei der Mitgestaltung der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung sehen sich die im BBMV organisierten MVZ-Gruppen in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen, um eine bestmögliche, wohnortnahe Versorgung in Deutschland sicherzustellen.

Verlagerung von stationärer zu ambulanter Versorgung: Ambulantisierung

Viele Behandlungen und Operationen werden in Deutschland noch stationär in Krankenhäusern erbracht, obwohl dies nicht nötig wäre. Der medizinisch-technische Fortschritt erlaubt es heute, dass zahlreiche Operationen und Behandlungen ambulant erbracht werden – meist auch zu geringeren Kosten für das Gesundheitssystem. Deutschland liegt hier im Vergleich zu vielen anderen Ländern noch deutlich zurück. So werden im OECD-Durchschnitt 92,1 % aller Katarakt-Operationen ambulant erbracht, in Deutschland sind es nur 83,2 % (Platz 29/33). Bei der Entfernung der Gaumenmandeln liegt der OECD-Durchschnitt für ambulante Eingriffe bei 37,6 %, in Deutschland bei 9,3 % (Platz 24/33). Auch der Umfang der in Deutschland möglichen ambulanten Operationen zeigt, dass in der Ambulantisierung noch Luft nach oben ist. Nach dem gültigen Katalog für ambulantes Operieren (AOP) dürfen in Deutschland 2.879 Leistungen ambulant erbracht werden. Nach einem Gutachten für die KBV, den GKV-Spitzenverband und die DKG könnten gemäß medizinisch-technischen Möglichkeiten weitere 2.476 Leistungen ambulant erbracht werden.

 

Um auch komplexere Eingriffe zu ambulantisieren und hohe Qualitätsstandards sicherzustellen, sind entsprechende professionelle Strukturen, hochqualifiziertes ärztliches und medizinisches Personal sowie moderne Medizintechnik und Ausstattung in den Praxen und ambulanten OP-Zentren nötig. Der Aufbau dieser Struktur setzt zunächst umfangreiche Investitionen voraus. MVZ-Gruppen mit privaten Kapitalpartnern können die nötigen Investitionen in diesem Bereich erbringen und sind ein wichtiger Baustein beim nötigen Umbau des Gesundheitssystems. 

Digitalisierung

Die Digitalisierung in der ambulanten Versorgung kann viele Arbeitsschritte erleichtern: vom Online-Termin, über die elektronische Patientenakte und dem E-Rezept, bis hin zur Videosprechstunde und der telemedizinischen Versorgung in ländlichen Räumen, immer unter der Prämisse der Wahrung des Schutzes von Gesundheitsdaten. Auch hier schneidet Deutschland im internationalen Vergleich schlecht ab: Laut der #SmartHealthSystems-Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt Deutschland in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens den vorletzten Platz von insgesamt 17 untersuchten Ländern. Leider gibt es gerade aus der Ärzteschaft Widerstände gegen die notwendige Modernisierung, weil sich viele nicht mitgenommen fühlen und den zusätzlichen bürokratischen, technischen und auch finanziellen Aufwand nicht tragen möchten.

 

MVZ-Gruppen entlasten durch ihre arbeitsteilige Struktur die angestellten Ärztinnen und Ärzte im MVZ von der Umsetzung der Digitalisierung. Vor allem aber investieren sie in die Digitalisierung der Praxen und Versorgungsangebote. Dabei wird die technische Seite der Digitalisierung in der relevanten Fachabteilung begleitet und zum Nutzen der Patientinnen und Patienten umgesetzt. 

Demografischer Wandel und gewandeltes Berufsbild „Arzt/Ärztin“

Der demografische Wandel trifft das Gesundheitssystem in doppelter Hinsicht: Zum einen wird die Bevölkerung immer älter und bedarf damit vielfältigerer gesundheitlicher Leistungen, die natürlich zu höheren Kosten führen. Zum anderen werden auch die Ärztinnen und Ärzte immer älter. Bereits heute sind knapp ein Drittel aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der haus- und fachärztlichen Versorgung über 60 Jahre. Damit steigt auch die Zahl der selbstständigen Ärztinnen und Ärzte, die eine Nachfolge für ihre Praxis suchen – zu oft ohne Erfolg – kontinuierlich an.

Das tradierte Modell der selbstständigen Niederlassung hat in den letzten Jahren massiv an Attraktivität bei der jungen Generation eingebüßt. Hier besteht der Wunsch, mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten zu haben, nach Austausch und Kooperation, weniger Bürokratie und Investitionsrisiko sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – das Berufsbild hat sich erheblich gewandelt. Dadurch fehlt es an Nachfolgerinnen und Nachfolgern für die Einzelpraxen und die Versorgung gerät unter Druck. 

 

Wie kann das Berufsbild attraktiver gemacht werden und was können MVZ-Gruppen hier leisten?

MVZ-Gruppen erfüllen als Arbeitgeber die Erwartungen der nächsten Generation der Ärztinnen und Ärzte und ermöglichen durch Anstellung die patientenorientierte Arbeit in Voll- sowie Teilzeit – ohne Investitionsrisiken und bürokratische Lasten. Bei der Praxisübernahme investieren MVZ-Gruppen in eine moderne Ausstattung und Medizintechnik, anders als selbstständige Ärztinnen und Ärzte, die häufig ab einem gewissen Alter nicht mehr vollumfänglich in die Praxis investieren, da sich die Kosten nicht mehr amortisieren.

Investoren in der ambulanten Gesundheitsversorgung – Was bedeutet das?

Um die genannten Umbrüche in der ambulanten Versorgung handhabbar zu machen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten auch in Zukunft zu sichern, bedarf es umfangreicher Investitionen. Im Gegensatz zum stationären Bereich existiert in der ambulanten Versorgung keine Mischfinanzierung, das heißt, alle Investitionen müssen aus privaten Mitteln erbracht werden. Der klassische Gang zu einer Bank und die Aufnahme eines Kredits werden zunehmend durch weitere Formen der Kapitalbereitstellung ergänzt. Die Mitglieder des BBMV e.V. nutzen hierzu die Möglichkeiten von Beteiligungsgesellschaften als private Kapitalpartner, um Versorgungsstrukturen aufzubauen. 

Das Geschäftsmodell eines MVZ-Betreibers muss, um erfolgreich zu sein, auf Langfristigkeit angelegt sein. Das gilt unabhängig davon, in welcher Träger- oder Inhaberschaft sich das MVZ befindet. MVZ-Gruppen verfolgen genau dieses langfristige Geschäftsmodell in der Versorgung und heben dabei Effizienzreserven, die im ambulanten Gesundheitssystem schlummern.

  • So entlasten MVZ-Gruppen mit einer professionellen Verwaltung die Ärztinnen und Ärzte von Bürokratie.
  • Beim Einkauf von Medizintechnik und Material können Kostenvorteile erzielt werden.
  • Durch Investitionen in die ärztliche und berufliche Aus- und Weiterbildung sowie professionelle Strukturen beim Personalmanagement und -gewinnung wird der Fachkräftebedarf gedeckt und sichergestellt, dass die Patientenversorgung – auch in ländlichen Räumen – erhalten bleibt.
  • Hygienebeauftragte, ärztliche Beiräte, Mindestmengen bei Operationen und ein Qualitätsmanagement stellen sicher, dass die MVZ und Zweigpraxen beim Qualitätsvergleich weit vorn liegen.

Viele dieser Maßnahmen sind nur umsetzbar, wenn eine bestimmte Unternehmensgröße erreicht und ein bestimmter Investitionsbedarf sichergestellt ist. Im Zentrum steht dabei immer eine hochwertige Patientenversorgung. Patientinnen und Patienten müssen der medizinischen Einrichtung und den dortigen Ärztinnen und Ärzten vertrauen, sich wohl und gut behandelt fühlen. Ansonsten stimmen sie „mit den Füßen“ ab und entscheiden sich dank freier Arztwahl beim nächsten Mal für eine andere Praxis.

Ärztliche Weisungsfreiheit – oder: Der Arztberuf als freier Beruf in Anstellung

In der Diskussion um die Träger- und Inhaberschaft von MVZ, rücken auch die angestellten Ärztinnen und Ärzte in den Fokus. Der Beruf des Arztes bzw. der Ärztin zählt zu den sogenannten freien Berufen. In den Standesvertretungen wird gelegentlich befürchtet, dass der freie Beruf durch die stark wachsende Zahl von angestellten Ärztinnen und Ärzten verloren geht. Aber selbstverständlich üben auch ein angestellter Arzt und eine angestellte Ärztin einen freien Beruf aus – sowie es bei Angestellten aus anderen freien Berufsgruppen ebenfalls der Fall ist.

 

Um die Einhaltung der ordnungsgemäßen Behandlungsabläufe sicherzustellen, besagt § 95 SGB V, dass jedes MVZ – unabhängig der Träger- und Inhaberschaft – eine Ärztliche Leitung haben muss. Der Ausdruck „investorengeführtes MVZ“ wird daher immer wieder in der Berichterstattung irrtümlich verwendet und ist schlichtweg falsch. Bei MVZ handelt es sich zwingend immer um „ärztlich geführte Einrichtungen“. Die Weisungsfreiheit der Ärztlichen Leitung und der angestellten Ärztinnen und Ärzten in medizinischen Fragen gegenüber den Gesellschaftern und der Geschäftsführung des MVZ wird nicht nur gesetzlich und berufsrechtlich, sondern zusätzlich in den Arbeitsverträgen sichergestellt.

MVZ und private, nichtärztliche Kapitalpartner (Investoren) – Erkenntnisse aus dem Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit

Die Diskussion, ob es in der ambulanten Versorgung Trägervielfalt geben soll, wird teilweise emotional und manchmal auch unsachlich geführt. Dabei wird in der öffentlichen und politischen Debatte häufig vereinfacht. Positionen werden teilweise, auch in der Politik und den Medien, reproduziert, ohne zu reflektieren, welche Interessen dahinterstehen. Die Diskussion über Träger- und Inhaberschaften gefährdet in unseren Augen die Trägervielfalt und lenkt von den wesentlichen Herausforderungen, vor denen wir stehen, ab. Wir wollen diese Diskussion patientenzentriert führen und die Sicherstellung der bestmöglichen Versorgung in den Mittelpunkt rücken.

 

Das Bundesministerium für Gesundheit hat bereits im Jahr 2020 die dafür benötigte sachliche Diskussionsgrundlage in Auftrag gegeben. Prof. Dr. Lardurner, Prof. Dr. Jochimsen und Prof. Dr. Walter haben ein Gutachten zum „Stand und Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ)“ vorgelegt.

 

Die Gutachterinnen und Gutachter verwerfen eine Reihe von einschränkenden Regulierungsvorschlägen, die sich an der Träger- oder Inhaberschaft eines MVZ orientieren. Stattdessen legen Sie den Fokus auf Transparenz und weitere Maßnahmen, die bei den Ärztinnen und Ärzten in den MVZ ansetzen: von der Stärkung der ärztlichen Leitung, einfacheren Beteiligungsmöglichkeiten von Ärztinnen und Ärzten an der MVZ-Gesellschaft, in der sie arbeiten, bis hin zu einer besseren Repräsentanz in Gremien der Selbstverwaltung. Damit umreißen die Gutachterinnen und der Gutachter den geeigneten – und vor allem sachlichen – Rahmen für die weitere Diskussion zur Rolle von MVZ in der ambulanten Gesundheitsversorgung. In diesem sollte der Dialog zwischen Politik, Selbstverwaltung und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der vertragsärztlichen Versorgung beruhen.

Versorgungsanteile und Wachstum von MVZ in Deutschland

Bei der Versachlichung der Debatte hilft auch ein Blick auf die Zahlen zu den Versorgungsanteilen von MVZ und MVZ-Gruppen mit Beteiligungskapital.

2021 zählte die Bundesärztekammer 143.101 Ärztinnen und Ärzte und 31.118 psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der ambulanten Versorgung. Betrachtet man nur die Zahl der Ärztinnen und Ärzte waren 30,2 % angestellt tätig: 7,6 % in Einzelpraxen, 6,5 % in BAG und 16,1 % in MVZ. Im Umkehrschluss waren 69,7 % der Ärztinnen und Ärzten weiterhin selbstständig in Einzelpraxen, BAG und MVZ tätig.

Ein besseres Bild der Versorgungsanteile vermittelt die Betrachtung nach Vollzeitäquivalenten (VZÄ). Danach liegt der Anteil nach VZÄ für angestellte Ärztinnen und Ärzten in MVZ bei 12,8 %, in BAG bei 4,9 % und in Einzelpraxen bei 5,9 %. Drei Viertel der Versorgung wird weiterhin von selbstständigen Ärztinnen und Ärzten erbracht (76,4 %).

Daraus lässt sich folgern, dass 2021 in der Humanmedizin nur knapp 13 % der Sitze in der ambulanten Versorgung von MVZ betrieben wurden. Die Zuwachsrate von 2019 - 2021 betrug knapp 1 Prozentpunkt pro Jahr. Geht man nun davon aus, dass die Schätzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) korrekt ist, und 10% der Sitze MVZ-Gruppen mit Beteiligungskapital zugerechnet werden können, so lag der Versorgungsanteil 2021 bei ca. 1,3 %. Sollte die Zuwachsrate konstant bleiben, wären es im Jahr 2030 dann knapp 2 Prozent.

In den einzelnen Regionen leisten MVZ-Gruppen zwar einen wichtigen Versorgungsbeitrag, von dem behaupteten Bedrohungsszenarien einer flächendeckenden ärztlichen Versorgung durch MVZ-Gruppen mit Beteiligungskapital sind wir weit entfernt.