Hier finden Sie das Interview auf der Seite des änd: https://www.aend.de/article/222405
Die Bundesärztekammer will medizinische Versorgungszentren stärker regulieren lassen. Was hält die MVZ-Lobby von den Vorschlägen? Dazu sprach der änd mit Sibylle Stauch-Eckmann, Vorsitzende des Bundesverbands der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV).
Frau Stauch-Eckmann, Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die Regeln zur MVZ-Zulassung reformieren, in seinem Fokus befinden sich vor allem investorenbetriebene MVZ. Wie notwendig ist die Reform?
Durch die starke Verlagerung von stationären Leistungen in den ambulanten Bereich wird es im ambulanten Bereich weiteres Wachstum geben. Es hat sich bereits eine starke Gruppe von Gemeinschaftspraxen und MVZ entwickelt, die teils operativ-ambulant oder konservativ tätig sind. Dazu kommen viele Hausarzt-MVZ, zum Teil mit Filialen. Da braucht es sicherlich ordnungspolitische Rahmenbedingungen, da es für kooperative Strukturen Benachteiligungen gibt.
Ich glaube die Debatte über die Trägerschaft von MVZ, die ja nicht vom Bundesgesundheitsministerium, sondern von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns
und einigen Funktionären angestoßen wurde, zeigt, dass wir eine transparente und valide Datengrundlage brauchen. Nur dann lässt sich beurteilen, ob es die vielzitierte Rosinenpickerei
oder etwaige Monopolstrukturen tatsächlich gibt, und wie man, sollte das
der Fall sein, gezielt dagegen vorgeht.
Die Bundesärztekammer fordert in einem Positionspapier eine stärkere Regulierung der MVZ. Und plädiert darin für die ausschließliche Zulassung fachübergreifender MVZ, die Begrenzung von Marktanteilen sowie mehr Transparenz über die Inhaberschaft. Ihr Verband lehnt in einer Stellungnahme zehn der zwölf BÄK-Vorschläge rundheraus ab. Warum zeigen Sie sich so wenig gesprächsbereit?
Wir lehnen die Grundprämisse der Bundesärztekammer ab, dass die Qualität der medizinischen Versorgung von der Inhaber- oder Trägerschaft abhängt. Diesen
Geist atmen leider die meisten der Vorschläge. Es gibt in dem Papier der Bundesärztekammer durchaus Ansätze, über die man erst weiter diskutieren kann, wenn eine inhaltliche
Datengrundlage vorliegt – etwa beim Vorwurf der Monopolbildung. Jetzt aus der Hüfte geschossen zu behaupten, 40 oder 50 Prozent der Sitze dürfen nur in einer Hand sein, ergibt für
manche Fachgruppen oder KV-Bezirke schlicht keinen Sinn. Für uns ist am Ende entscheidend, dass die Regeln für alle gelten – und nicht nur für einzelne Träger.
Was haben Sie gegen den Vorschlag der Bundesärztekammer, künftig nur noch fachübergreifende MVZ zuzulassen?
Der Gesetzgeber hat sich ja was dabei gedacht, als er 2015 die Fachgruppengleichheit zugelassen hat. Seitdem haben sich in diesem Bereich sehr viele MVZ gebildet. Fast die Hälfte ist mittlerweile fachgruppengleich. Und diese sind längst nicht nur von Investoren getragen. Es haben sich auch viele Hausarzt-MVZ gegründet.
Und ich kann aus meiner Erfahrung als langjährige Geschäftsführerin einer augenärztlichen MVZ-Gruppe bestätigen, dass man mit diesem Zulassungsmodell im
ländlichen Bereich einfacher ein MVZ gründen kann. In der Augenheilkunde macht ein fachübergreifendes MVZ auch wenig Sinn. Welche Fachrichtung sollte man denn da dazupacken? Da ergeben
sich keinerlei Synergien. Fachgruppengleiche MVZ dienen der Patientenversorgung und ermöglichen es, viel dezidierter tätig zu werden.
Die BÄK argumentiert, hinter vielen fachgleichen MVZ stünden „Kapitalinvestoren ohne Bezug zur vertragsärztlichen Versorgung, die sich auf einen Teilmarkt der medizinischen Versorgung, etwa der operativen Augenheilkunde oder der Radiologie fokussieren“. Wie stichhaltig ist der Vorwurf der Rosinenpickerei?
Leider sehen wir in unserem System sehr oft die Regel: „Versorgung folgt Vergütung“, was nicht nur für MVZ-Gruppen gilt. Bei diesem Thema muss man sich alle Versorgungsbereiche anschauen. Es gibt auch sehr viele Vertragsärzte, die sich auf einzelne, lukrative Operationen konzentrieren.
Für ein wachsendes MVZ ist es vielmehr ganz entscheidend, langfristig seinen eigenen ärztlichen Nachwuchs heranzuziehen. Und um die Aus- und Weiterbildungsermächtigungen zu bekommen, müssen sie die ganze Fachbreite anbieten. Es liegt also schon im strategischen Interesse der Investoren, die größere MVZ-Netze bilden wollen, die gesamte Leistungsbreite ihres Fachbereichs anzubieten.
Aber dass es diese Investoren gibt, die mit viel Geld im ganzen Land Praxen aufkaufen, lässt sich doch nicht bestreiten, oder? Diese treiben die
Praxispreise in die Höhe und machen für niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte einen Praxiskauf am Ende unmöglich.
Da gehören am Ende immer zwei Parteien dazu – Käufer und Verkäufer. Ich würde gerne zu niedrigeren Preisen eine Praxis übernehmen. Aber das müssen die Verkäufer eben auch mitmachen. Wo sehen wir denn diese extrem hohen Preise? Das sind meist MVZ oder Gemeinschaftspraxen mit operativen Bereichen, die sehr groß geworden sind. Für solche Einheiten ist es schwierig, einen Nachfolger zu finden, da sie sehr teuer sind.
Dazu kommt, dass die jüngere Ärztegeneration sich finanziell nicht mehr so stark binden will. Es gibt also oft keine Kaufinteressenten zu diesen Konditionen.
Die Sorge der Kassenärztlichen Vereinigungen, dass diese Entwicklung gravierende Folgen für die Versorgung haben könnte, halten Sie also für
unbegründet?
Die MVZ-Gruppen schaffen doch Versorgung. Es ist kein Selbstzweck, ein MVZ zu gründen. Ziel ist es, Patienten zu versorgen. Kein Unternehmen und kein Investor haben ein Interesse daran, eine schlechte Versorgung zu bieten. Sicherlich werden MVZ-Gruppen, mit einem professionellen Management im Hintergrund, auch als Konkurrenz wahrgenommen. Das dürfte sogar Stein des Anstoßes für die bislang geführte Debatte sein.
Wie ernst nehmen Sie die Sorgen von Patienten und Ärzten vor möglichen negativen Auswirkungen von Investoren, die weniger eine gute Versorgung als
vielmehr eine bessere Rendite im Blick haben?
Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst. Und es ist schade, wenn ein Patient durch negative mediale Berichterstattung, davon abgehalten wird, in ein MVZ zu gehen. Es gibt einzelne Patienten, die fragen, ob das MVZ zu einer Gruppe gehört oder eine ‚Heuschrecke‘ sei. Deshalb sperren wir uns auch ausdrücklich nicht gegen ein von vielen gefordertes Transparenzregister, das die Eigentumsverhältnisse von MVZ offenlegt.
Die Mehrzahl der Patienten aber interessiert in erster Linie, ob sie schnell einen Termin bekommen und gut behandelt werden. Deshalb sprechen wir uns auch dafür aus, sich in der Versorgung mehr über Qualitätsparameter Gedanken zu machen, um für die Patienten einen Mehrwert zu schaffen.
Sie sehen also auch in Fächern wie der Zahn- und Augenheilkunde keinen besonderen Handlungsdruck?
Ich glaube, gerade in der Augenheilkunde ist es gut, dass es große Gruppen gibt, die die Angebote bündeln und vor allem ambulant agieren. Wir sind in Deutschland das letzte Land, das noch so viele Leistungen stationär erbringt. Das kostet viel Geld.
Wenn wir ein effizientes Gesundheitssystem bauen wollen, brauchen wir MVZ-Gruppen, die Knowhow haben, moderne Arbeitsbedingungen schaffen, wo Ärztinnen und Ärzte gerne arbeiten, und die in neue, moderne Geräte investieren. Qualität und Quantität gehören zusammen – gerade in den operativen Fächern.
Auch die Forderung der BÄK nach einer räumlich-fachlichen Gründungsbefugnis lehnen Sie ab. Was würde denn passieren, wenn medizinische
Versorgungszentren künftig nur noch von Vertragsärzten und Krankenhäusern – beschränkt auf ihren Einzugsbereich – gegründet werden könnten? Schließlich sind das doch genau die Akteure,
die bisher den Großteil der ambulanten und stationären Versorgung leisten.
Dann würde man – in der Denke der Kritiker – den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Denn dann wären die großen überregionalen Krankenhausträger, hinter denen im Übrigen auch Investoren stehen, in der Pole Position, um in ihrem Einzugsbereich MVZ zu gründen.
Die MVZ sind Schnellboote, viel wendiger als die großen Krankenhaus-Tanker. Deren starre Strukturen eigenen sich nicht, um im ambulanten Bereich auf die Bedürfnisse der Patienten und Ärzte einzugehen. Krankenhäuser gründen MVZ, weil sie ihre stationären Strukturen auslasten wollen. Auch dies hätte Folgen für die Patientenversorgung und auch diese Risiken sollte man ins Kalkül ziehen.