Laut der Geschäftsführerin des Bundesverbands Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung e.V. (BMVZ), Susanne Müller, wird in der Diskussion über MVZ – insbesondere in (Mit-)Inhaberschaft privater Kapitalpartner – bewusst mit Zahlen und Statistiken Stimmung gemacht. In ihrem Vortrag auf der BBMV-Veranstaltung "MVZ - unverzichtbare Pfeiler einer nachhaltigen Medizin 2.0?" analysiert Frau Müller die vorliegende Datenbasis und spricht sich dafür aus, die Debatte über MVZ in der vertragsärztlichen Versorgung auf Inhalte und Fakten zu stützen.
Müller kritisiert, dass „wenn von MVZ geredet wird, insbesondere von nichtärztlichen Trägern, ist man ganz schnell bei Gefühlen und ganz weit weg von Fakten“. Die Debatte sei von ideologischen und überkommenen, tradierten Meinungen geprägt, die erstmal im Raum stehen würden. Wie auch beim Thema Corona, zeige die Diskussion um MVZ, dass wir flächendeckend als Bevölkerung mehr Ahnung von Zahlen haben müssten – „Keiner versteht sie wirklich, aber alle schmeißen damit durch die Gegend“, so Müller zu Beginn des Vortrages. So wird der Zuwachs von 78% bei MVZ mit Beteiligungskapital als dramatische Entwicklung dargestellt. „Wenn Sie 3 Äpfel haben und nehmen einen dazu, dann sind das 33 Prozent. Wenn Sie 100 Äpfel haben und nehmen 3 Äpfel dazu, sind es nur 3 Prozent“, verdeutlicht die BMVZ-Geschäftsführerin ein Problem in der Diskussion.
Ihrer Meinung nach zeige der aktuelle Diskurs, dass bereits der Wechsel zwischen prozentualer Betrachtung und absoluten Zahlen viele überfordern würde. Anliegen des BMVZ sei es daher „in diese Lücke zu stoßen“ und Aufklärung zu betreiben. Als gemeinnütziger Verband zur Förderung ambulanter Kooperationen und Verbesserung der Patientenversorgung sowie integrierter Versorgungsmodelle habe der BMVZ dabei alle Träger im Auge und vertrete keine bestimmt Trägergruppen.
Müller beklagt, dass wenn von MVZ in der Debatte geredet wird, etwa beim Thema Versorgungsrelevanz, es ein „ein Machtwissen oder Herrschaftswissen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen“ geben würde. Dieses würde nur so weit geteilt werden, wie es der KV dienlich ist, was ein Zugangsgefälle schafft.
Anhand der Entwicklung der Versorgungsanteile von Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten (PP) zeigt die Geschäftsführerin des BMVZ etablierte Probleme im Umgang mit Statistiken auf. So werden etwa in den üblichen Statistiken Ärzte und psychologische Psychotherapeuten in aller Regel zusammen dargestellt.
Bei der dabei kommunizierten Zahl von 26,3 Prozent Tätigkeit in Anstellung, handelt es sich somit um eine Mischrechnung aus den beiden Bereichen mit insgesamt 174.000 Ärzten und PP, die sich stark in der Entwicklung unterscheiden. Bei den Ärztinnen und Ärzten sind derzeit 30,2 % angestellt tätig, bei den psychologischen Psychotherapeuten 8,5 %. „Ein riesen Unterschied der eigentlich sofort schreit: Nein ihr könnt uns nicht zusammenwerfen, weil der Durchschnitt macht da keinen Sinn“. Diese Unterschiede in der Verteilung sind auch bei MVZ und zwischen den einzelnen Arztgruppen zu beobachten, betont Müller.
Kritisch sieht Müller zudem die Darstellung nach Köpfen von angestellten Ärztinnen und Ärzten. So gebe es bei den angestellten Ärztinnen und Ärzten viel mehr Teilzeit-Arbeitsverhältnisse als bei den Vertragsärzten. Sie empfiehlt daher bei der Anstellungsverhältnissen auf Bedarfsplanungsgewichten/Vollzeitäquivalenten zu schauen, um die Entwicklungen darzustellen. Dies schaffe eine vergleichbare Größe.
Laut Müller helfe der Blick auf die Vollzeitäquivalenten (VZÄ) auch bei der Einordnung der Relevanz von MVZ. So werden etwa 13 Prozent aller humanmedizinischen Sitze derzeit von ein MVZ gehalten. Davon haben 42 Prozent eine Klinik als Träger, was 5,4 Prozent aller VZÄ entspricht.
„Jedes Jahr haben die MVZ im humanmedizinischen Bereich aktuell ein Prozent mehr Versorgungsanteil - alle Träger zusammen“, berichtet die Geschäftsführerin des BMVZ weiter und rechnet vor, dass bei gleichbleibender Entwicklung der Versorgungsanteil 2030 bei 20 Prozent läge. Sie ordnet ein, dass wenn davon 10 Prozent, wie derzeit von der KVB behauptet, ein Investor zugeordnet wäre, deren Sitzanteil 2030 bei 2 Prozent aller Arztsitze läge. Die MVZ-Entwicklung ist demnach eine relativ langsame so Müller weiter, die mit solchen Rechenbeispielen „die Debatte erden und Fakten reinbringen“ möchte.
In ihrem Fazit betont Müller, dass der Anschein einer dramatischen Dynamik vor allem aus der Fokussierung der Statistik auf einzelne Segmente entstehe, ohne das Gesamtbild im Auge zu behalten.