Die Diskussion über die Rolle von MVZ in der ambulanten Versorgung wird nach wie vor anhand den Fragen der Träger- und Inhaberschaft geführt. Im Fokus stehen nicht erst seit dem IGES-Gutachten im Auftrag der KVB oder aktueller Fernsehberichterstattung MVZ in (Mit-)Inhaberschaft privater Kapitalpartner. Die Debatte selbst krankt an wenig Sachlichkeit, einer dünnen Datenbasis und zu vielen Emotionen. Unberücksichtigt bleiben Fragen der Versorgungssicherung, der Qualität und Patientenorientierung.
In diese Lücke stieß nun der BBMV e.V. vor lud am gestrigen Mittwoch, den 11. Mai 2022 zu der Veranstaltung „MVZ – unverzichtbare Pfeiler einer nachhaltigen Medizin 2.0?“ nach Berlin und digital per Livestream ein.
Sibylle Stauch-Eckmann, Vorsitzende des BBMV e.V. eröffnete die Veranstaltung mit dem Hinweis, dass in der Vergangenheit beim Thema MVZ und deren Träger bzw. (Mit-)Inhaber häufig nur über diese, kaum jedoch mit diesen gesprochen wurde. Dies wolle man als Zusammenschluss haus- und fachärztlicher MVZ-Gruppen mit privaten Kapitalpartnern ändern und sich aktiver in die öffentliche und politische Diskussion einbringen.
Dabei sei aber ein Perspektivwechsel hin zu einer patientenorientierten Debatte über die Zukunft der ambulanten Versorgung, dem gewandelten Berufsbild und dem Finanzierungsbedarf zunehmend kooperativen und digitalisierten Praxen dringend nötig.
BMG-Gutachten als Grundlage weiterer Diskussionen
17 Jahre nach der Einführung von MVZ läge immer noch keine ‚smoking gun‘ – also harte Beweise für eine schlechtere Versorgung durch MVZ-Gruppen vor. Sie bezog sich auf die zahlreichen Auftragsgutachten die zum Thema „MVZ und Investoren“ vorlägen, ohne einen entsprechenden Nachweis einer Gefährdung der Versorgung erbracht zu haben - „Zumindest nicht, wenn man sich die Gutachten im Detail anschaut und nicht nur die zugehörigen Pressemitteilungen“, ergänzte die BBMV-Vorsitzende mit Blick auf das jüngste Gutachten des IGES-Instituts im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns.
Unter allen Gutachten steche das Rechtsgutachten von Herrn Prof. Lardurner, Frau Prof. Walter und Frau Prof. Jochimsen im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit hervor. Es sei in seiner Anlage objektiv und beinhalte eine sachliche Beschäftigung mit einer breiten Palette an Fragen und Regulierungsaspekten.
„Angst vor Machtverlust und unliebsamer Konkurrenz“
Es gäbe damit auf Basis des BMG-Gutachtens genug Diskussionspunkte, um den Rechtsrahmen für MVZ weiterzuentwickeln und darüber hinaus die Versorgung sicherzustellen, stellte Frau Stauch-Eckmann fest und schob die Frage hinterher, warum dann wohl fast nur über Träger- bzw. die Inhaberschaft gesprochen würde.
„Wir haben“, so die BBMV-Vorsitzende, „bei so mancher Äußerung von berufsständigen Vertretern den Eindruck, dass es weniger um die Versorgungssicherheit oder wirklich um die Patienten geht, als vielmehr um Machterhalt, Machtdynamik, der Zusammensetzung von Institutionen und Kammern und vielleicht auch um unliebsame Konkurrenz.“
Mit Blick auf die Berichterstattung der letzten Wochen kritisierte Frau Stauch-Eckmann mit deutlichen Worten die damit implizierten Vorwürfe gegenüber angestellte Ärztinnen und Ärzten in MVZ-Gruppen
„Wenn argumentiert wird, dass bestimmte Träger- oder Inhaberformen eine schlechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten aus Renditegründen in Kauf nehmen, dann unterstellt man implizit angestellten Ärztinnen und Ärzten gleichzeitig […] ein geringeres Berufsethos, bzw. eine schlechtere Arbeit. Das ist der eigentliche Skandal hinter dieser Diskussion und insbesondere dann völlig absurd und anmaßend, wenn solche Vorwürfe von den eigenen Standesvertretern […] stammen.“
Sibylle Stauch-Eckmann, Vorsitzende BBMV e.V.
MVZ-Gruppen mit großem Potential zur Lösung der Herausforderungen im Gesundheitswesen
Zum Abschluss appellierte die BBMV-Vorsitzende dazu, die Diskussion über Träger- und Inhaberschaft hinter sich zulassen und auf die Potentiale, die MVZ und MVZ-Gruppen unabhängig davon bei der Bewältigung der Herausforderungen im ambulanten Gesundheitssystem zu heben.
MVZ-Gruppen brächten durch ihre Organisationsstruktur, ihr arbeitsteiliges Vorgehen und auch allein durch ihre Größe viele Vorteile, u.a. bei Fragen der Digitalisierung, bei der Versorgung ländlicher Regionen durch Zweigpraxen, Rotationsmodellen und telemedizinischen Angeboten sowie bei der ärztlichen Aus- und Weiterbildung und der beruflichen Ausbildung mit sich. MVZ-Gruppen seien auch deswegen attraktive Arbeitgeber und die Anstellung käme dem Berufsbild vieler junger Ärztinnen und Ärzten entgegen.
Die Möglichkeit zur selbstständigen Niederlassung bestehe weiterhin und müsse auch fortbestehen, sie verliere nur zunehmend an attraktiv und werde deshalb nicht mehr in dem früheren Maße genutzt. Für Frau Stauch-Eckmann sei es längst ein Faktum, dass der Arztberuf in naher Zukunft ein freier Beruf in Anstellung sein werde.
MVZ-Gruppen könnten hier die Not lindern, so die BBMV-Vorsitzende, ergänzt aber sie seien auch kein Allheilmittel. Vielmehr bräuchte es einen ganzen Strauß an Maßnahmen: alle Träger- und Inhaberschaften, eine Ausweitung der Studienplätze, einem einfachen und einheitlichen Zulassungsrecht und vor allem den Mut auch neue Versorgungsformen auszuprobieren und zuzulassen.