· 

"Hier war der Wunsch wohl Vater des Gedankens"

IGES; MVZ; KVB; Private Equity; Investoren
Auszug aus dem IGES-Gutachten, Kurzfassung, S. 21
IGES; MVZ; KVB; Private Equity; Investoren
Auszug aus dem IGES-Gutachten, Kurzfassung, S. 18

Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) lehnt sich mit Interpretation des IGES-Instituts zu weit aus dem Fenster.

 

Dass die KVB unter Ihrem Vorsitzenden Herrn Dr. Krombholz wenig Sympathie für MVZ aufbringen kann, ist kein Geheimnis. Eine inbrünstige Abneigung pflegt man in der KVB gegen MVZ-Inhaberstrukturen mit Beteiligungskapital. Sogar in einem Sonderheft hat man solchen MVZ-Gruppen gewidmet. Allein, Belege für die vielen Behauptungen die ins Feld geführt werden, kann die KVB – selbst auf direkte Nachfrage – nicht liefern.[1]

 

Letzte Woche verkündete die KVB endlich einen solchen Beleg gefunden, oder besser gesagt in Auftrag gegebene zu haben. Entstanden ist ein Gutachten des IGES-Instituts mit dem Titel: „Versorgungsanalysen zu MVZ im Bereich der KV Bayerns mit besonderem Augenmerk auf MVZ in Eigentum von Finanzinvestoren“.

Dessen „Kernaussage“, so der KVB-Vorstand in einer Pressemitteilung vom 7. April sei, dass „in investorengetragenen Versorgungszentren […] die abgerechneten Honorarvolumina deutlich über denen in anderen Medizinischen Versorgungszentren [liegen]“. [2]

 

Mit dieser Interpretation hat sich der Vorstand der KVB offensichtlich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Denn selbst die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass nicht die „PEG-MVZ“ (MVZ in Besitz von Private Equity Gesellschaften) mit dem höchsten Honorarvolumen assoziiert werden, sondern MVZ im Eigenbesitz von Ärztinnen und Ärzte. [3]   

Auch bei der untersuchten Behandlungskosten je Patienten sind es „die Vertragsärzte […] die am ehesten [….] mit höheren Behandlungskosten assoziiert sind.“[4]

 

Hier war der Wunsch wohl Vater des Gedankens“, kommentiert die BBMV-Vorsitzende, Sibylle Stauch-Eckmann, die Pressemitteilung aus Bayern: „Ohne eine abschließende Bewertung des Gutachtens als Ganzes vorgreifen zu wollen, ist die von der KVB getätigte Aussage bereits jetzt nicht haltbar.“

 

Aber auch das Gutachten des IGES-Instituts sorgt noch für einige Fragezeichen. Wie der Titel schon deutlich macht, legt die Studie ein besonderes Augenmerk auf Finanzinvestoren. Dabei bleibt allerdings offen, wie die Autoren die Gruppe der sogenannten „PEG-MVZ“ definieren.  Der Begriff wird – wie in der Vergangenheit der Begriff des iMVZ - einfach in den Raum gestellt, ohne zu erklären, was sich dahinter verbergen soll. Ein solches Vorgehen vermag nicht zu überzeugen. [5]

 

Erschwerend hinzu kommt, dass es für „PEG-MVZ“ in der Studie selbst nur Mittelwerte gibt. So ist ein Vergleich zwischen den verschiedenen im Gutachten dargestellten MVZ-Gruppen innerhalb der Fachrichtungen nicht möglich. Begründet wird dies mit dem Datenschutz. Den beim Blick in das Gutachten stellt man fest, dass die Fallwerte für die „PEG-MVZ“ so klein sind, dass keine genaueren Aussagen getroffen werden können, ohne Rückschlüsse auf einzelne MVZ ziehen zu können. Von 536 MVZ (Hauptbetriebsstätte) werden lediglich 41 den „PEG-MVZ“ zugerechnet.[6] 

 

Unklar bleibt auch, ob bei den Berechnungen der Honorarvolumina der Zuschlag auf die Grundpauschale berücksichtigt wird, den MVZ und BAG in Bayern erhalten.[7] Dieser beträgt für fach- und schwerpunktgleiche BAG und MVZ am gleichen Standort 10 Prozent auf das Regelleistungsvolumen. Ebenfalls unklar bleibt, warum ausgerechnet die Einzelpraxis in der Untersuchung als „Goldstandard“ definiert wurde.

 

„Die Einzelpraxis ist für die Herausforderungen der ambulanten Versorgung sicherlich nicht das Zukunftsmodel. Ein Vergleich von größeren Strukturen wie MVZ mit der Einzelpraxis erscheint hier wie ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen.“, so die BBMV-Vorsitzende: „MVZ haben meist keine Ferien, in denen sie für Patienten geschlossen sind. Bieten häufiger längere Öffnungszeiten und ein breiteres Leistungsspektrum an. Alleine das hat einen Einfluss auf das Honorarvolumen.“

 

Dieses Vorgehen lässt sich jedoch mit der Auftragsstellung der KVB erklären. Diese wollten explizit feststellen lassen, „inwieweit sich systematische Unterschiede im Leistungs- und Versorgungsgeschehen zwischen MVZ und anderen Praxisformen […] feststellen lassen, die mit der Hypothese einer stärker von ökonomischen Motiven getriebenen Vorgehensweise der MVZ bzw. der PEG-MVZ im Einklang stehen.“[8]

 

„Das Ergebnis des IGES-Gutachtens muss die KVB enttäuscht haben, nur so kann ich mir die heftige Medienkampagne der letzten Tage erklären. Sie haben ihre Hypothese einer ‚Ökonomisierung‘ in MVZ – insbesondere in solchen, die im Besitz von Beteiligungsgesellschaften liegen – nicht bestätigen können. Das wird auch der Öffentlichkeit klar und das Narrativ bröckelt.“, stellt Sibylle Stauch-Eckmann fest.

 

Damit zielt die BBMV-Vorsitzende auf den Artikel von Christoph Winnat „Behandlungskosten im MVZ: Die Fachrichtung macht’s – nicht der Träger“ in der ÄrzteZeitung.[9] Hier kommt er zum Schluss: Trotz all dieser Befunde, die Investoren-MVZ keineswegs eindeutig gegenüber anderen Trägerformen als Kostentreiber entlarven, resümieren die IGES-Autoren jedoch zu deren Lasten: „die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass unter sonst gleichen Bedingungen eine Versorgung in MVZ sowie insbesondere bei MVZ im Eigentum von Finanzinvestoren höhere Honorarumsätze nach sich zieht, was die These einer stärkeren Ausrichtung an ökonomischen Motiven stützt.“

 

Mit Blick auf den weiteren Diskussionsverlauf hat die BBMV-Vorsitzende ein Ziel: „Wir sollten diese Gelegenheit nutzen, um auf eine sachliche Diskussionsebene über die Rolle und Weiterentwicklung von MVZ zu gelangen. Als Grundlage eignet sich das Rechtsgutachten des Bundesgesundheitsministeriums.“

 



[1] Siehe Bayerischer Rundfunk, BR Podcast, Medizinische Versorgungszentren – Zwischen Profit und Gesundheit, Minute: 4:36-4:52, abrufbar unter https://www.br.de/mediathek/podcast/radioreportage/462

[2] Presseinformation vom 07.04.2022: KVB-Vorstand über neues IGES-Gutachten: „Gesundheit darf kein Spekulationsobjekt sein“, abrufbar unter https://www.kvb.de/presse/presseinformationen/presseinformationen-2022/07042022/

[3] IGES 2022: Versorgungsanalysen zu MVZ im Bereich der KV Bayerns mit besonderem Augenmerk auf MVZ in Eigentum von Finanzinvestoren“, Kurzfassung, S. 18), abrufbar unter https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/UeberUns/Gesundheitspolitik/IGES-MVZ-Gutachten-April-2022-Kurzfassung.pdf

[4] IGES 2022: Versorgungsanalysen zu MVZ im Bereich der KV Bayerns mit besonderem Augenmerk auf MVZ in Eigentum von Finanzinvestoren“, Kurzfassung, S. 23)

[5] Siehe dazu: Müller, Susanne: Wenn Begriffe nur verwirren (sollen), abrufbar unter: https://www.bibliomedmanager.de/news/wenn-begriffe-nur-verwirren-sollen

[6] IGES 2022: Versorgungsanalysen zu MVZ im Bereich der KV Bayerns mit besonderem Augenmerk auf MVZ in Eigentum von Finanzinvestoren“, Kurzfassung, S. 15)

[7] siehe Erläuterungen zum Honorarverteilungsmaßstab der KV Bayerns ab 1 Januar 2021, S. 24 https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Praxis/Infomaterial/AbrechnungHonorar/KVB-Broschuere-Erlaeuterungen-zum-HVM-2021.pdf

[8] IGES 2022: Versorgungsanalysen zu MVZ im Bereich der KV Bayerns mit besonderem Augenmerk auf MVZ in Eigentum von Finanzinvestoren“, Kurzfassung, S. 9)

[9] Winnat, Christoph: Behandlungskosten im MVZ: Die Fachrichtung macht’s – nicht der Träger, ÄrzteZeitung vom 8. April 2022 https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Behandlungskosten-im-MVZ-Die-Fachrichtung-machts-nicht-der-Traeger-428243.html

 

 

 

Als Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren e.V. setzen wir uns für eine breite Trägervielfalt und die bestmögliche Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten im ambulanten Gesundheitssektor ein. Unsere Mitglieder betreiben bundesweit Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und tragen flächendeckend zur haus- und fachärztlichen Versorgung bei. Um diese Investitionen in die Qualität der Gesundheitsversorgung tätigen zu können, greifen unsere Mitglieder auf private Kapitalpartner zurück.