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Versorgungsqualität als Erfolgsfaktor

Mitglieder der Online-Konferenz Polit-Talk vom BBMV – Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren - BBMV
Aufnahme des digitalen Polit-Talk mit Alexander Krauß, MdB und Dr. Kirsten Kappert-Gonther, MdB

Digitale Veranstaltung des BBMV e.V.

Medizinische Versorgungszentren sind eine Erfolgsgeschichte. Seit der Einführung der MVZ hat sich die Zahl der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden MVZ rasant entwickelt. Wurden Ende 2014 erst 70 MVZ gezählt, waren es Ende des letzten Jahres bereits 3.539 MVZ.

 

Schätzungsweise rund 10 Prozent der MVZ sind in Trägerschaft von Betreibern, die zur Finanzierung auch auf private Kapitalgeber zurückgreifen. Trotzdem ist gerade um diese MVZ mit Kapitalbeteiligung eine kritische Diskussion entbrannt, die im Kern die alte Frage nach dem Verhältnis von Ökonomie und ärztlicher Tätigkeit neu belebt.

 

Dabei werden aus Teilen der Politik und der verfassten Ärzteschaft zahlreiche Sorgen und Vorwürfe gegenüber MVZ mit Kapitalbeteiligung geäußert, die sich beim näheren Hinsehen als unhaltbar oder unbegründet entpuppen. Häufig wird eine geringere Versorgungsqualität aufgrund der Trägerschaft unterstellt, ein höherer ökonomischer Druck und eine renditegetriebene Therapie - schwere Vorwürfe gegenüber den MVZ-Betreibern und den dort tätigen Ärztinnen und Ärzte.

 

„Als BBMV wollen wir unseren Beitrag zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen“, erklärte Sibylle-Stauch-Eckmann, Vorsitzende des BBMV e.V. die Beweggründe für die Veranstaltung.

Aus diesem Grund wurde das Institut für Gesundheitsökonomik (ifG) um Herrn Prof. Dr. Neubauer beauftragt, die Erfolgsfaktoren von MVZ mit Kapitalbeteiligung in einem Gutachten zu untersuchen. Dabei haben Herr Prof. Neubauer und sein Team zum ersten Mal auch den Blick von Ärztinnen und Ärzten, sowie medizinischem Fachpersonal in MVZ mit Kapitalbeteiligung in ihre Untersuchung einbezogen und sie u.a. zu ihren Einschätzungen zur Freiberuflichkeit, des ökonomischen Drucks und der medizinischen Versorgungsqualität befragt.

 

Die Ergebnisse rücken die gängigen Behauptungen im Zusammenhang mit privaten Investoren im ambulanten Gesundheitssektor in ein neues Licht und öffnen die Sicht auf die Rolle von MVZ mit Kapitalbeteiligung für eine hochwertige, langfristige und flächendeckende Patientenversorgung.

Die Erfolgsgeschichte MVZ beruht dabei auch auf der Attraktivität als Arbeitgeber für Ärztinnen und Ärzte. Vor allem für junge Ärztinnen und Ärzte haben die tradierten Niederlassungsstrukturen an Attraktivität verloren. MVZ entlasten Ärztinnen und Ärzte von administrativen Aufgaben, dem Investitionsrisiko der Selbstständigkeit und bieten geregelte Arbeitszeiten und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

 

 

Bericht aus der Praxis

Aber auch bei der immer öfter erfolglosen Suche nach einem Praxisnachfolger sind MVZ häufig das Auffangnetz, die die Praxen übernehmen und die Patientenversorgung langfristig sichern.

Wie eine solche Einbringung einer Praxis in eine MVZ-Gruppe abläuft, das berichtete Frau Dr. Susanne Gerhards, die aus ihrer Praxis in Essen zur Diskussion dazu geschaltet war. Seit dem 1. April 2020 ist die Praxis nun Teil der Medicover. Zuvor hat Frau Dr. Gerhards als niedergelassene Ärztin gemeinsam mit ihrem Kollegen 19 Jahre eine Gemeinschaftspraxis für Endokrinologie und Innere Medizin geführt. Mit dem nahenden Ruhestand des Kollegen begann die Suche nach einem Nachfolger. Nach 3-4 Jahren erfolgloser Suche, gingen die Ärzte auf das BBMV-Mitglied Medicover zu, insbesondere aufgrund des ausgezeichneten Rufes. 


An der Arbeit mit den Patientinnen und Patienten hat sich nichts geändert, so Frau Dr. Gerhards. Lediglich das Schild an der Tür habe sich verändert. Dort ist nun „Zweigpraxis Essen / MVZ Medicover Köln“ zu lesen.

Eine Veränderung zum positiven sei aber bei der Entlastung administrativer Aufgaben und auch bei IT-Fragen zu spüren. Als die Praxis mitten in der Corona-Pandemie Teil der Medicover wurde, sei wenige Tage später schon die Spuckschutzwände aus Plexiglas eingetroffen. Einen höheren ökonomischen Druck verspüre sie nicht, immerhin sei sie als niedergelassene Ärztin auch Unternehmerin gewesen und hätte darauf achten müssen, dass sich die Praxis rechnet. Daran hat sich nach ihrem Dafürhalten nichts geändert.

Mit dieser Einschätzung ist Frau Dr. Gerhards nicht allein. Wie Prof. Dr. Neubauer bei der Präsentation der Ärztebefragung darstellte, gaben fast 70 Prozent der Ärztinnen und Ärzte an, dass der ökonomische Druck in der selbstständigen Niederlassung größer sei, als bei der Anstellung im MVZ.

 

Besonders positiv bewerten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung auch die ausüben des Arztberufes. So sieht eine Mehrheit sowohl die Therapiefreiheit besser im MVZ gesichert, als auch die Möglichkeit den eigenen Qualitätsanspruch zu verwirklichen. Mehr als die Hälfte der Befragten gibt ebenfalls an, im MVZ sei mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten gegeben, als in der Einzelpraxis.

 

Aber nicht nur für Ärztinnen und Ärzte sind MVZ attraktiv, sondern auch für Patientinnen und Patienten. MVZ mit Kapitalbeteiligung investieren in hochqualifiziertes Personal, moderne Praxisausstattung und eine effiziente Verwaltung im Hintergrund. Das zahlt sich auch für die Patientinnen und Patienten aus: geringere Wartezeiten und eine bessere Ausstattung sorgt für eine hohe Patientenzufriedenheit, so das Fazit von Prof. Dr. Neubauer.


Politik-Talk

Den Politik-Talk eröffneten die Bundestagsabgeordneten Alexander Krauß (CDU/CSU) und Dr.Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis90/Die Grünen) mit jeweils einem Statement.

Frau Dr. Kappert-Gonther zeigte sich als Fan der MVZ, vor allem wegen der Möglichkeit der fachübergreifenden Zusammenarbeit. Auch im ländlichen Raum hätten MVZ ein hohes Potential und seien daher ein fester Bestandteil beim Modell der Gesundheitsregionen von Bündnis90/Die Grünen.

Kritisch sah die Abgeordnete jedoch die Möglichkeit von Marktkonzentration. Sie setze sich für Trägervielfalt ein, dass bedeute aber auch, dass lokal verankerte Akteure gefördert werden müssen und nicht verdrängt werden dürften. Weiterhin setze sie sich für einen Abbau der Hindernisse für arztgetragene MVZ ein, etwa bei der Frage der Nachbesetzung.

Beim Thema Transparenz müsse gelten, dass diese absolut notwendig sei, aber nicht nur für eine Trägergruppe, sondern für alle MVZ. Damit grenzte sie sich von der Bundestagsfraktion der Linken ab, die einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht hatte.

 

Alexander Krauß von der Bundestagsfraktion der CDU/CSU begann seinen Impuls mit der Aussage, er freue sich über jeden Arzt, der sich niederlassen möchte – vor allem auch, weil dieser ein nicht unerhebliches Zeitvolumen in die Arbeit mitbringt. Die Realität sei aber zunehmend ein höherer Wunsch nach Work-Life Balance, die auch dazu führe, dass junge Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf lieber in einem Anstellungsverhältnis ausüben möchten. Diesen Wunsch müsse man akzeptieren und entsprechend handeln.

Bei der Diskussion um MVZ mit Kapitalbeteiligung könne er nicht feststellen, dass die Versorgungsqualität von der Trägerschaft abhänge, so Krauß. Im Gegenteil, sei es häufig so, dass bei privaten Einrichtungen bestimmte Prozesse optimaler ausgestaltet seien.

Die Diskussion sei auch stark interessengeleitet, um sich gegen die unliebsame Konkurrenz der MVZ mit Kapitalbeteiligung auf dem Gesundheitsmarkt durchzusetzen. Dabei werde gerne mit dem Bild des „bösen Kapitals“ gespielt. Beim Thema Monopolisierung müsse man genau hinsehen, diese seien nicht zu dulden. Bislang sehe er aber bei MVZ mit Kapitalbeteiligung diese noch nicht. In seinem Schlusswort rief der CDU-Abgeordnete zu mehr Rationalität in der Diskussion auf. Deswegen sei die vorliegende Untersuchung, insbesondere die Aufnahme der Erfahrung von Ärztinnen und Ärzten, auch wichtig.

 

Abschluss

Ihr sei klar, dass die Untersuchung des IfG nur ein erster Schritt sei und die Stichprobe der Befragung größer werden müsse, um ein breites repräsentatives Bild zu zeichnen. Hier sieht die BBMV-Vorsitzende einen Anknüpfungspunkt für die regelmäßigen Datenerhebungen der KBV, insbesondere beim ZI-MVZ-Panel.

Der ordnungspolitische Diskurs müsse am Ende vor allem den Patientinnen und Patienten dienen. Die Diskussion dürfe daher nicht stigmatisieren, sondern den Patientinnen und Patienten helfen, den für sie richtigen und geeigneten Arzt zu finden.

Die Zukunft der ambulanten Versorgung benötigt alle – vom niedergelassenen Arzt in der Einzelpraxis bis hin zur MVZ-Gruppe – nur gemeinsam lassen sich die anstehenden Veränderungen und Herausforderungen meistern, so die BBMV-Vorsitze zum Abschluss der Veranstaltung.

 

 

 

Das Gutachten können Sie auf unsere Homepage unter https://www.bbmv.de/positionen/ downloaden.